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China Autoindustrie, E-Autos, Elektroautos, erneuerbare Energien, Automarkt: Der chinesische Elektroautohersteller BYD stellt seine Fahrzeuge in einem Showroom in Hongkong vor

Rasche Entwicklung bei rückläufigem Umsatz in Chinas E-Auto-Industrie

April 20, 2024 um 10:45 AM © IMAGO / ZUMA Wire

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Als Standort für den Hauptsitz von BYD, des größten chinesischen Herstellers von Elektrofahrzeugen, ist Shenzhen eine der ersten chinesischen Städte, die über ein vollständig elektrifiziertes öffentliches Verkehrssystem verfügt. Die EV(Electronic Vehicle)-Durchdringungsrate der Stadt erreichte im Jahr 2023 fast das Doppelte des nationalen Durchschnitts - nämlich 67,9 % im Vergleich zum Durchschnitt von 35,7 %.

 

Die Elektromobilität dient als wichtige Säule der wirtschaftlichen Transformation Chinas und stellt ein wichtiges Instrument zur Erreichung der "Dual Carbon"-Ziele des Landes dar. Bis 2030 sollen die Kohlenstoffemissionen ihren Höhepunkt erreichen, bis 2060 will China kohlenstoffneutral sein. Doch die meisten Besitzer der Elektro-Autos haben nicht zwingend den Umweltaspekt im Kopf. Für die meisten Verbraucher geht es beim Fahren von E-Fahrzeugen eher um die Einsparung von Pendlerkosten. 

Der achtundzwanzigjährige Deng Haowen, der in einer Bar in Shenzhen arbeitet, kaufte 2021 ein BYD Dolphin EV für 122.000 RMB (etwa 16.800 US-Dollar). Er habe sich damals für ein Elektrofahrzeug entschieden, weil das Aufladen eines E-Autos billiger sei als das Tanken von Benzin. Deng lebt in Huizhou, Guangdong, und fährt jeden Tag 200 Kilometer nach Shenzhen und zurück. Nach seinen Berechnungen kostet das Aufladen seines E-Fahrzeugs an der Ladestation 0,40 RMB/kWh, also durchschnittlich nur 10 RMB (1,38 US-Dollar) pro 100 Kilometer. Würde er ein Benzinfahrzeug fahren, würden die Kraftstoffkosten mindestens 4-5 mal höher ausfallen. 

Die meisten Autobesitzer sind der Meinung, dass E-Autos in puncto Fahrspaß, intelligenter Technologie, Aussehen oder Reichweite ihre täglichen Bedürfnisse erfüllen und Benzinautos vollständig ersetzt haben. Deng ist neben der Kosteneinsparung auch von der Fähigkeit des Elektroautos angetan, aus dem Stand in wenigen Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen. "Mein Auto braucht nur sechs Sekunden, um von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Ein Benzinfahrzeug mit der gleichen Leistung würde mindestens 400.000 bis 500.000 RMB kosten. Es ist ein großartiges Gefühl, das gleiche Fahrerlebnis zu einem Viertel des Preises zu genießen." 

 

Der dreißigjährige Ruan Wenfeng, der in der Werbeproduktion tätig ist, verkaufte sein Benzinfahrzeug im Jahr 2020 und kaufte ein Tesla Model 3 für 350.000 RMB (48.347,25 US-Dollar). Für ihn bestehe der größte Vorteil eines Elektroautos in der einfacheren Wartung, verglichen mit einem Benzinfahrzeug. "Früher, als ich ein Benzinfahrzeug fuhr, musste ich das Auto alle 3.000 Kilometer warten. Abgesehen von der ersten Wartung musste das Auto zwischendurch mehrere größere und kleinere Reparaturen über sich ergehen lassen. Im Vergleich dazu muss ich mein Elektroauto nur alle 20.000 Kilometer warten lassen, was viel Zeit und Mühe spart." erklärte Ruan. 

 

 

"Während Chinas neue Energiefahrzeuge in diesem Jahr ein relativ starkes Wachstum beibehalten werden, wird die Aufrechterhaltung einer Wachstumsrate von über 50 % im Jahr 2024 eine besondere Herausforderung sein. Denn die Überzeugung der verbleibenden "EV-Skeptiker" wird zu einer wachsenden Herausforderung." 

- Alvin Liu, Analyst, Canalys 

 

Die rasante Entwicklung des chinesischen Elektrofahrzeugsektors hat in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Auch die Vorstellung des Xiaomi-Elektroautos im vergangenen Monat hat weltweit Aufmerksamkeit erregt. Dank der starken offiziellen Unterstützung und der Förderung durch Unternehmen ist der Absatz von Elektrofahrzeugen in China weltweit führend. Da der chinesische Markt jedoch bereits eine gewisse Größe aufweist, verlangsamt sich die chinesische Wirtschaft - und damit auch das Wachstum der EV-Verkäufe in China. 

Statistiken der China Passenger Car Association zeigen, dass die Einzelhandelsverkäufe von Fahrzeugen mit neuer Energie im letzten Jahr 7,736 Millionen Einheiten erreichten. Dies entspricht einem Anstieg von 36,2 % gegenüber dem Vorjahr, ist allerdings weit vom 90-prozentigen Anstieg von vor einem Jahr entfernt. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2024 verlangsamte sich der Absatz von Fahrzeugen mit neuer Energie in China weiter. Erst im März zogen die Verkäufe wieder an, nachdem unter Autohersteller eine Preiskrieg begann. Gestartet wurde dieser von BYD. 

 

Der Analyst des Marktforschungsunternehmens Canalys, Alvin Liu, sagte in einem Bericht voraus, dass Chinas neue Energiefahrzeuge in diesem Jahr zwar ein relativ starkes Wachstum verzeichnen werden, dass es aber besonders schwierig sein wird, eine Wachstumsrate von über 50 % in diesem Jahr aufrechtzuerhalten, da es immer schwieriger wird, die verbleibenden "EV-Skeptiker" zu überzeugen. 

Einer dieser "EV-Skeptiker" ist der 35-jährige Geschäftsmann Wu Rongsen aus Shenzhen. Der bekennende Skeptiker der Elektrofahrzeuge weist darauf hin, dass die meisten Menschen aufgrund von Reichweiten- und Ladeproblemen keine EVs kaufen. "Für Geschäftsleute ist Zeit Geld. Selbst mit der fortschrittlichsten Schnellladetechnologie dauert es immer noch eine Stunde, um ein Elektroauto vollständig aufzuladen. So viel Zeit haben wir nicht". 

Und auch bezüglich eigentlich als Vorteile zu wertender Punkte besitzt Wu eine andere Ansicht. "Beeinträchtigt nicht auch der Produktionsprozess von Lithiumbatterien für Elektroautos und deren anschließende Entsorgung die Umwelt?", fragte der Geschäftsmann im Gespräch. 

 

Auch der Verbreitungsgrad von E-Fahrzeugen in China variiert je nach Region und Grad der Verstädterung. In den drei kalten Provinzen im Nordosten Chinas machten die Verkäufe von Fahrzeugen mit neuer Energie im vergangenen Jahr nur 4 % des gesamten chinesischen Marktes aus. Viele Einheimische beschweren sich, dass Elektrofahrzeuge nicht für den Nordosten Chinas geeignet sind. Grund dafür ist die deutliche Kapazitätseinbuße der Lithiumbatterien bei extrem kaltem Wetter, was die Reichweite des Fahrzeugs erheblich beeinträchtigt. 

Im Vergleich zu städtischen Gebieten ist der Verbreitungsgrad von E-Fahrzeugen in ländlichen Gegenden ebenfalls deutlich geringer. Dies ist auf unausgereifte Lademöglichkeiten, mangelndes Bewusstsein für neue Autohersteller und negative Klischees über die Sicherheit von E-Fahrzeugen zurückzuführen. 

 

"Da die gesamte Branche immer noch mit einem intensiven Preiskampf konfrontiert ist, würde eine solche Umstellung auf E-Fahrzeuge erst dann erfolgen, wenn sich der Preiskampf und der Produktwettbewerb stabilisiert haben und der Markt die Stärksten aussortiert hat." 

- Lim Tai Wei, Adjunct Research Fellow, EAI, NUS 

 

Zahlen der China Association of Automobile Manufacturers zeigen, dass die Verkäufe von Fahrzeugen mit neuer Energie in Chinas nichtstädtischen Gebieten im Jahr 2022 nur 4 % der gesamten Autoverkäufe in ländlichen Regionen ausmachen und damit deutlich unter dem branchenweiten Niveau von 25,6 % liegen. Lim Tai Wei, wissenschaftlicher Mitarbeiter am East Asian Institute (EAI) der National University of Singapore (NUS), ist der Meinung, alle wirklichen "Fans" der E-Auto Industrie, seien mittlerweile auch auf Elektrofahrzeuge umgestiegen. In der nächsten Phase müsse die Branche mehr tun - weitere bahnbrechende Technologien, wirksame Marketingstrategien und Anreize einführen, um die noch abwartenden Verbraucher und auch Skeptiker zu gewinnen. 

Lim ist der Auffassung, dass es Zeit brauche, bis die große Mehrheit der Verbraucher von Benzinfahrzeugen auf E-Fahrzeuge umsteigt. Da der gesamte Sektor immer noch einem intensiven Preiskampf ausgesetzt ist, würde ein solcher Umstieg auf E-Fahrzeuge erst erfolgen, wenn sich der Preiskampf und der Produktwettbewerb stabilisiert haben und der Markt die Stärksten von ihnen herausgebracht habe. "Wenn in der Elektroautobranche nur noch einige wenige Giganten übrig sind, wird der Wettbewerb weniger intensiv sein und die technologischen Neuerungen werden besser kontrollierbar. Die Verbraucher werden sich nicht mehr so viele Gedanken darüber machen, dass die Automobiltechnologien so schnell veralten, und die Preise werden weiter sinken. Erst dann können die Verbraucher mit größerer Zuversicht Autos kaufen."