Ein Fest der Kulturen
May 11, 2024 um 01:30 PM © IMAGO / Xinhua
"Man muss sich verirren, um Kultur zu finden.", erklärte die französische Schriftstellerin und Ausstellungskuratorin Christine Cayol kürzlich beim "Salon Embracing Cultures" im Beijing Art Center.
Der chinesische Cellist Chu Yibing, der als erstr Student vom chinesischen Festland am Pariser Konservatorium zugelassen wurde, stimmte ihr zu. "Ich glaube, sich zu verirren ist, genau genommen, Teil des französischen Geistes", so Chu. "Denn immer zu wissen, wohin man geht, ist langweilig. Sich zu verirren und dabei glücklich zu sein - das ist sehr französisch", erklärte Chu weiter.
Chu und Cayol führten eine Diskussion über Synergien zwischen der chinesischen und der französischen Kultur - voller philosophischer und metaphorischer Abstecher.
Cayol erklärte, sie wurde von jemandem zu dieser Aussage inspiriert, der sie darauf hinwies, dass die Hauptstädte beider Länder auf einer zentralen Achse gebaut sind. "In Peking hat man, genau wie in Paris, diese sehr vertikale und gerade Art, die Stadt zu organisieren", sagt Cayol, "aber meistens haben wir sehr komplizierte, enge Straßen. Wenn man sich verirrt, weiß man meistens die Richtung nicht."
Chu weist darauf hin, dass er sich in Paris verirrt, aber nie in Pekings Hutong (traditionelle Gassen), während Cayol sagt, dass sie sich sogar in dem kleinen Hutong, in dem sie lebt, oft verirrt.
Angesichts dieser Tatsache stellten Chu und Cayol fest, dass das Verirren in einem anderen Land buchstäblich und im übertragenen Sinne eine Möglichkeit ist, über interkulturelle Schnittpunkte zu stolpern. "Sich zu verirren ist ein wichtiger Teil der Aneignung einer Kultur", so Cayol. "Wenn man ins Ausland geht, muss man sich in gewisser Weise ein wenig unwohl fühlen, weil alles so neu und fremd ist, dass man das Gefühl hat, sich zu verlaufen."
Das Ziel des Salons, der zu einem Zeitpunkt stattfand, an dem die beiden Länder nach jahrhundertelangen Kontakten in diesem Jahr das 60-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen feierten, war das Lernen darüber, was die beiden Kulturen voneinander gelernt haben. Neben erwartbaren Themen wie Musik, Essen und Kunst als „universelle Sprachen” wurden auch weniger vorhersehbare Motive wie Synästhesie, Hören und Zeit behandelt.