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Chinas "neue Qualitätskampffähigkeiten" noch in der Erprobungsphase

April 5, 2024 um 06:15 AM © IMAGO / H. Tschanz-Hofmann

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Das Schlagwort "Neue Qualität" ist in letzter Zeit nahezu zu einem politischen Motto in China geworden. 

In der Verwaltung wurde der Schwerpunkt auf die Entwicklung von "Produktivkräften neuer Qualität" gelegt und auch die Büros für öffentliche Sicherheit des Landes haben vorgeschlagen, die Bildung und Verbesserung von "Kampffähigkeiten neuer Qualität" zu beschleunigen. Ziel dabei sei es, die politische und soziale Stabilität auf einem höheren Niveau zu sichern. Allerdings kursieren aktuell verschiedene Erklärungen ausgehend von den Büros für öffentliche Sicherheit in den verschiedenen Regionen, was die "neuen Qualitätskampfkräften" angeht. Nach Ansicht befragter Wissenschaftler sei dies darauf zurückzuführen, dass noch keine allgemein gültige, abschließende Definition des Begriffs vorhanden ist. 

 

Wissenschaftler bestätigen dennoch, dass der Fokus der Begriffsbedeutung auf der weiteren Nutzung von Technologie liegt, um die sozialen Stabilität sowie die Netzüberwachung zu stärken. Dieses Konzept wurde erstmals im Januar vom chinesischen Staatsrat und Minister für öffentliche Sicherheit, Wang Xiaohong vorgeschlagen. Er forderte während eines landesweiten Treffens mit den Polizeichefs der Provinzen die Behörden für öffentliche Sicherheit auf, den Aufbau und die Verbesserung neuer hochwertiger Kampffähigkeiten zu beschleunigen. Des weiteren beinhaltete seine Aufforderung die gewissenhafte Erfüllung der "heiligen Pflichten" sowie das Vorantreiben der Modernisierung der Arbeit der öffentlichen Sicherheit. So solle auf solide und stabile Weise zur Modernisierung Chinas beigetragen werden. 

 

Nach den Anweisungen von Wang priorisierten die Büros für öffentliche Sicherheit im ganzen Land, von der Kreis- bis zur Provinzebene, die Schaffung und den Ausbau neuer Qualitätskampf-Kapazitäten zügig. In den vergangenen Jahren wurde in Chinas Behörden für öffentliche Sicherheit investiert, um den Einsatz von Technologie in der Arbeit der öffentlichen Sicherheit zu ermöglichen. Sowohl das Ministerium für öffentliche Sicherheit als auch das Ministerium für Wissenschaft und Technologie gaben Ende Februar 2023 einen Dreijahres-Aktionsplan heraus, in dem ausdrücklich die Schaffung eines strategischen Wissenschafts- und Technologiesystems im Bereich der öffentlichen Sicherheit sowie die Verbesserung der Förderung wissenschaftlicher und technischer Talente im Bereich der öffentlichen Sicherheit vorgeschlagen wurde. 

Im Vergleich zu den klaren Regelungen des Dreijahres-Aktionsplans scheint die Definition von Chinas neuen Qualitätskampf-Fähigkeiten weniger klar zu sein. Auch wenn Wissenschaftler sich bzgl. der Auslegung des Begriffs  "neuen Qualitätskampfkräften" bzw. "neue Qualitäten" recht sicher scheinen, scheint die Bedeutung auf Behördenebene noch nicht in Gänze klar. Immer noch müssen die Beamten beschreiben, was sie beinhaltet. Außerdem gibt es Unstimmigkeiten in der Art und Weise, wie die verschiedenen Regionen die damit verbundenen Arbeiten ausführen.

 

Mitte März rief das Büro für öffentliche Sicherheit in Heilongjiang dazu auf, die Modernisierung des Polizeisystems durch konsequente Reformen und Innovationen voranzutreiben und innovative Praktiken zur Beschleunigung des Aufbaus und der Verbesserung der neuen Qualitätskampf-Fähigkeiten mutig umzusetzen.

Zheng Haiyang, stellvertretender Gouverneur von Henan und Generaldirektor der Abteilung für öffentliche Sicherheit in Henan, konzentrierte sich am 7. März, als er über die neuen hochwertigen Kampffähigkeiten sprach, vor allem auf Big Data und schlug vor, die intelligente Anwendung von Big Data in der öffentlichen Sicherheit stark zu fördern. "Solche Konzepte müssen in China vor Ort erforscht und von der Parteizentrale gefördert werden, bevor sie klarer werden. Die allgemeine Richtung ist derzeit die Entwicklung der Technologie". 

 

Tsai Wen-hsuan, Dekan der Schule für polizeiliche Kampfausbildung (警体战训学院) an der People's Public Security University of China, erläuterte in einem im Februar in der China Police Daily veröffentlichten Artikel den Begriff "neue Qualität der Kampffähigkeiten". Er befürwortete die Stärkung institutioneller Innovation, die Intensivierung der Ausbildung von Polizeitalenten sowie die Systematisierung der Rechtsstaatlichkeit und eine Innovationsoffensive im Bereich Wissenschaft und Technologie. Gleichzeitig solle die soziale Governance integriert werden, um neue qualitativ hochwertige Kampffähigkeiten zu bilden und zu verbessern. 

In der Legal Daily wurde Mitte März ein Artikel veröffentlicht, in dem Yuan Qinhua, stellvertretender Gouverneur und Generaldirektor der Abteilung für öffentliche Sicherheit in Jiangxi, erklärte, dass die Provinz neue qualitativ hochwertige Kampffähigkeiten in fünf Bereichen schaffen und stärken wird: Verbesserung der politischen Führungsfähigkeiten, Verbesserung der Dienstfähigkeiten, Stärkung der Basisverwaltung, Verbesserung der Fähigkeiten zur Risikoprävention und Ausbau der wissenschaftlichen und technologischen Unterstützung. 

 

Die Entwicklung neuer hochwertiger Produktivkräfte wurde im Dezmeber 2023 auf der Zentralen Wirtschaftsarbeitskonferenz vorgeschlagen. Danach betonten die höheren Parteifunktionäre der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) während der gesamten Dauer der beiden Sitzungsperioden, wie wichtig diese Entwicklung sei. "Neue hochwertige Produktivkräfte" wurde ein zentraler politischer Slogan. 

"Jede Abteilung muss der Führung der hohen KPCh-Mitglieder folgen, die diesen Slogan verkündet haben, und ihre politische Loyalität bei der Verkündigung dieses Slogans demonstrieren", so der Assistenzprofessor der Lee Kuan Yew School of Public Policy (LKYSPP) in Singapur, Lu Xi. Alle befragten Akademiker waren der Meinung, dass die häufige Erwähnung "neuer hochwertiger Kampffähigkeiten" durch die öffentlichen Sicherheitsbehörden auf allen Ebenen vor allem eine Reaktion auf das vorgeschlagene Konzept der neuen hochwertigen Produktivkräfte ist. In einem Interview mit Lianhe Zaobao analysierte Tsai Wen-hsuan, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Academia Sinica in Taiwan, dass der Inhalt neuer Konzepte, die die KPCh einführt, im Allgemeinen vage bleibt. "Solche Konzepte müssen vor Ort in China erforscht und von der Parteizentrale gefördert werden, bevor sie klarer werden. Gegenwärtig ist die allgemeine Richtung die Entwicklung der Technologie". Tsai sagte, es sei nicht leicht, klar zu bestimmen, was die neue Qualität der Kampffähigkeiten bedeute, denn sobald die technologischen Überwachungsfähigkeiten der öffentlichen Sicherheit zu stark würden, könnten die Autonomie und die wirtschaftlichen Aktivitäten der lokalen Gebiete eingeschränkt werden. Die Beamten müssten noch untersuchen, wie man ein Gleichgewicht herstellen könne. 

Lu Xi sagte, dass chinesische Beamte wahrscheinlich noch einige Zeit benötigen werden, um klar zu bestimmen, was genau die neuen hochwertigen Kampffähigkeiten mit sich bringen werden. Die Hauptbedeutung liege nicht darin, ein politisches Detail auszuarbeiten, viel mehr müsse "jede Abteilung (...) der Führung der oberen Ränge in der KPCh folgen, die diesen Slogan ausgegeben haben, und ihre politische Loyalität bei der Verkündung dieses Slogans demonstrieren". 

 

Es wäre auch denkbar, dass der Vorschlag des Konzepts der neuen Qualität der Kampffähigkeiten eine Warnung vor dem nächsten Schritt seien, in dem sie tiefer in die Erforschung neuer Technologien zum Zweck der sozialen Kontrolle einsteigen würden, so zumindest die Ansicht von Wang Chih-sheng, ehemaliger Generalsekretär der Association of Chinese Elite Leadership. 

China verfügt über eines der weltweit führenden Hightech-Überwachungssysteme. Dieses System der chinesische Staatssicherheit zieht seit vielen Jahren die Aufmerksamkeit externer Beobachter auf sich - vor allem in Bezug auf das Thema der Privatsphäre der Menschen geht. Zu diesem System gehört neben der Inbetriebnahme des weltgrößten Videoüberwachungsnetzwerks Skynet im Jahr 2017 auch der angebliche Einsatz von Gesichtserkennungs- und Standortverfolgungstechnologien in den letzten Jahren. Gestartet wurde letzteres angeblich, um Demonstranten während der Pandemie festzunehmen. 

Wang vertritt die Ansicht, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden auf dem Festland seit Jahren dss Ziel verfolgen, Hightech-Systeme zur Lösung von Fällen einzusetzen, und dass sie derzeit lediglich einen neuen Begriff verwenden, um die lange verfolgten Hightech-Projekte herunterzuspielen. In diesem Zusammenhang sei die Frage interessant, ob die Behörden den Umfang der technologischen Überwachung ausweiten würden - vom eigentlichen Skynet bis hin zur Gesichtserkennung. 

"Das Konzept der neuen Qualitätsproduktivkräfte ist eher auf die Produktions- und Wirtschaftsabteilungen ausgerichtet, und es wird viel schwieriger sein, es im Bereich der sozialen Kontrolle umzusetzen. Aber nach einer Anpassungsphase ist es wahrscheinlich, dass die neuen Qualitätskampffähigkeiten in bestimmte Schlüsselbereiche fallen werden, einschließlich des verstärkten Einsatzes von Technologie zur Stabilisierung der Gesellschaft und zur Internetüberwachung", schloss Wang.